Schlachtfest – das besondere Ereignis -Der Schweinetod wurde mit Schnaps begossen-

Schlachtfest – das besondere Ereignis

-Der Schweinetod wurde mit Schnaps begossen-

 

 

Wenn morgens in den Wintermonaten ein Schwein quiekte und es durch einen Bolzenschuss von den Qualen erlöst wurde – dann war „Schlachtfest“. Es war für die „Schweinebesitzer“ ein Fest, weil es wieder frisches Fleisch gab und der Tag selbst mit allerlei Schnaps begossen wurde.

Man unterschied zwischen Hausschlachtung, Schwarzschlachtung und Klauschlachtung.

Ein paar Erinnerungen.

 

Hausschlachtung

Mit allerlei Abfällen aus dem Haushalt wurde ein Schwein bis zur Schlachtreife gefüttert. Je größer und fetter – desto besser. Geschlachtet wurde nur in den Wintermonaten, weil die Konservierung des Frischgeschlachteten Probleme bereitete. Das Fleisch wurde größtenteils in Weckgläsern eingekocht, die Wurst kam in Dosen. Erst mit der Inbetriebnahme eines Gemeinschaftskühlhauses in den Gebäuden des Kolonialwarenhändlers Franz Krohne wurde das anders.

 

Man benötigte für die Hausschlachtung einen Schweinetrog, eine Schlachtbank, eine Leiter und einen Bügel – alles andere wie Fleischwolf, Schlachtmesser, Glocken zum Abschaben der Borsten, Dosenverschließmaschine brachte der Hausschlachter mit.

 

„King“ der Hausschlachter war Wilhelm Öhlerking, ein kleiner drahtiger Mann, der im Sommer, wenn es keine Hausschlachtungen gab, als Dachdecker tätig war.

 

„Slachta-Willelm“, so wurde er im Dorf genannt, gab den Gehilfen, das waren die Schweinebesitzer, strenge und kurze Anweisungen. Wenn seine „Befehle“ nicht sofort befolgt wurden, wurde er auch schnell mal „ungeduldig“ und raunzte seine Auftraggeber auch ordentlich an.

 

Man bestellte Nachbarn zum Halten des Schweines. Das Schwein wurde auf den umgestülpten Trog seitlich gelegt und bekam den Bügel, auf den es später aufgehangen wurde, in die Schnauze gesteckt. Mit einem Reep (Seil) wurde die Schnauze so zugebunden, dass der Bügel in der Schnauze zusammen mit dem Schweinekopf als Hebelarm diente. Natürlich gefiel das dem Schwein nicht so richtig und es quiekte über das ganze Dorf. Ein Bolzen aus einem Schussgerät erlöste das Schwein von den Qualen. Dann wurde die Halsader angestochen und das herausspritzende Blut in einer Schale aufgefangen. Meine Mutter musste das warme Blut „bewegen“, damit es nicht geronn. Es wurde später für die Blut- und Beutelwurst gebraucht.

 

Wenn auch ich als Kind im Umgang mit Tieren einschließlich den Tod gewohnt war, fand ich an der Schlachtung eines Schweins keinen großen Gefallen und verdrückte mich oft. Beim Schlachten einer Kuh war ich nie dabei. Übrigens konnte das auch meine Mutter nicht mit ansehen, wenn sie eine Kuh vom Kälbchen an großgezogen hatte und die Kuh geschlachtet wurde.

 

Wenn das Schwein tot war und die Helfer aus der Nachbarschaft ihre Arbeit getan hatten, gab es den ersten Schnaps. Slachta-Willem trank so gut wie keinen Schnaps, andere Schlachter wie Hans-Werner Oltrogge sagte nie „nein“ und wurde Alkoholiker.

 

Das tote Schwein lag auf dem Schlachttrog und Slachta-Willem raunzte mich an, ich solle einen Teller für das erste „Knapp“ holen. Schnell lief ich in die Küche und kam mit einem Teller zurück. Slachta-Willem hielt den Teller ans Ende des toten Schweins, drückte auf den Bauch und der Teller war voll mit „Schweinescheiße“. Man freute sich, dass man den „kleinen Klaus“ reingelegt hatte.

 

Harte Arbeit war dann das Abkratzen der Borsten. Mit heißem Wasser wurde die Haut ‚versenkt‘ und dann wurden mit einer Metallglocke die Borsten abgekratzt. Das war mühsam!

 

War die Schwarte sauber, wurde das Schwein an einer Leiter aufgehangen und es erfolgte die Herausnahme der Innereien. Das Schwein hing dann erst mal stundenlang an der Leiter, bis nachmittags dann die Zerlegung auf der Schlachtbank erfolgte.

 

Übrigens, der Darm mit dem Darmende wurden herausgeschnitten und an den Abfluss der Regenrinne mit einem Knoten des Darms befestigt – es diente den Vögeln im Winter als Nahrung.

 

Auch der Schweinschwanz hatte eine lustige Verwertung. Man versuchte ihn, den Frauen an den Rock zu heften. So liefen dann die Frauen auch mit einem Schwanz herum, ohne es zu merken.

 

Verwertet wurde alles: Die Schweineblase diente als Behältnis für die Sülze, die Därme wurden gereinigt und später kam die Wurst hinein. Aus dem Schweinskopf, der Lunge und Bauchfleisch wurde Wurst gemacht. Selbst die Schwarte wurde zu Schwartenwurst (eine Art Mettwurst) verarbeitet. Die Leber wurde mittags beim Schlachtfest gegessen. Selbst die Brühe, mit der das Wurstfleisch gekocht wurde, war eine Delikatesse. Die Brühe, die beim Kochen der Wurst entstand, war nicht so inhaltsreich. Arme Leute in Helstorf, wie Bökers Anna, holte sich gerne diese Brühe. Das Fleisch wurde gepökelt und so bedingt haltbar gemacht; Teilmengen des Fleisches wurden in Gläser eingekocht . Schinken, Mettwürste und Knappwürste wurden geräuchert.

 

Übrigens, für uns Kinder gab es kleine Knappwürste.

 

Fleischbeschauer Ernst Bertram

Den Mohammedanern wird im Koran der Verzehr von Schweinefleisch verboten.

Schweinefleisch kann Trichinen enthalten, die können Menschen wahnsinnig machen. Also hat der Koran Schweinefleisch verboten, weil man nicht wusste, dass Trichinen die Verursacher waren.

 

Wilhelm Stünkel (Kamps Stünkel) war Musiker auf dem Luxusdampfer „Bremen“ und bei Reisen nach Übersee wurden lebendige Schweine zum Verzehr mit an Bord genommen. Eines dieser Schweine hatte wohl Trichinen und ein Besatzungsmitglied wurde wahnsinnig und biss Wilhelm Stünkel ein Ohr ab, das wurde uns immer wieder erzählt.

 

Weil Trichinen im Schweinefleisch gefährlich sind, musste jede Hausschlachtung untersucht werden, ob das Fleisch trichinenfrei ist.

 

Amtlicher Fleischbeschauer war Ernst Bertram (sen.) vom Mühlenberg. Er kam mit einem Koffer auf dem Fahrrad angefahren. Im Koffer befand sich ein Mikroskop.

 

Für die Untersuchung der Proben im Mikroskop wurde Ernst Bertram ein Platz in der guten Stube angewiesen, übrigens zur Begrüßung gab es erst mal einen Schnaps.

 

Wir Kinder durften auch schon mal durchs Mikroskop schauen und sahen so allerhand – wohl aber keine Trichinen. Faszinierend war das schon – jedenfalls freuten wir uns immer darauf, dass wir durchs Mikroskop gucken durften. War alles o.k. und das Fleisch trichinenfrei, dann bekam das an der Leiter hängende Schwein einen blauen Stempel und Ernst Bertram für die Reise zur nächsten Hausschlachtung noch einen Schnaps.

 

Schwarz- und Klauschlachtung

In der Zeit im Krieg und unmittelbar nach dem Krieg musste von jeder Hausschlachtung ein Teil des Schweines abgegeben werden – und wer macht das schon freiwillig? Also wurde geschlachtet, ohne dass die Schlachtung angegeben wurde.

 

Ich kann mich daran erinnern, dass ich in Mandelsloh bei Opa Hermann schon mal eine geschlachtete Ziege sah und als meine Großeltern merkte, dass ich diese gesehen hatte, wurde ich dazu verdonnert, darüber nichts zu sagen. Ich habe bis heute geschwiegen.

 

Das Klauen von Schweinen aus Ställen war häufig der Fall. Die Schweine wurden in den Wiesen zwischen dem Dorf und der Leine geschlachtet und es blieben nur Reste, die man in der Eile nicht verwerten konnte, übrig. Viele Banden waren unterwegs, besonders betroffen war der Schweinestall von Heinrich Gleue (Backers), weil dieser am Dorfrand lag und die Schweine so schnell auf die dahinter liegende Wiese getrieben werden konnten.

 

Aufwendige Rinderschlachtung

Eine Kuh wog mehr als ein Schwein und so teilten sich mehrere Bauern eine Kuh. Meine Eltern schlachteten zusammen mit den Familien Heinrich, Buschmann, Adolf Reßmeier und Heinrich Tegtmeier aus Mandelsloh.

 

Das Ritual war das gleiche wie bei einem Schwein – aber eine Kuh war halt größer. Auch hatte sie ein Fell, das sorgfältig abgetrennt werden musste und an einen Fellhändler verkauft wurde.

 

Nicht verwertet wurde der Pansen. Er landete auf dem Misthaufen. Aber auch da gab’s Abnehmer, so der Vater vom Hausarzt Dr. Becker aus Mandelsloh, für den der Pansen eine Delikatesse war. (Anmerkung: Im süddeutschen Raum sind Kutteln, die aus Pansen entstehen, sehr gefragt.)

 

Die Fleischverteilung unter der ‚Schlachtgenossenschaft‘ geschah nach einem bewährten Prinzip: Es wurden 4 Portionen gebildet, die einzelne Positionen wurden ausgelost.

 

Das Aus der Hausschlachtungen

Jüngere Hausschlachter wie Günther Skalitz aus Mandelsloh oder Wilbert  aus Esperke brachten neue Ideen mit. So erfolgte die Tötung der Tiere auf humanere Art und Weise, die Schweine wurden nicht mehr gequält. Die Wurstsorten waren vielfältiger, so gab es Jagdwurst  und Koch-Schinken.

 

Aber, die Zeit der Hausschlachtungen ging vorbei. Es durfte nicht mehr zu Hause geschlachtet werden. Vorübergehend wurden Schweinehälften im Schlachthof gekauft und zu Hause vermarktet. Auch konnte man selbst gefütterte Hausschweine zur Verarbeitung an Schlachtereien abgeben. Aber auch das ist vorbei. Heute kauft man sich sein Fleisch im Supermarkt – selten beim Metzger. Schade eigentlich, denn Hausschlachtungen hatten doch etwas Besonderes.

Bilder Schlachtfest

1.Schlachtfest

Schlachtfest ist immer ein Fest für den Schweinebesitzer. Es gibt frisches Fleisch. Auf dem Bild (v.l.n.R.) Hans-Werner Oltrogge ,Willi Rohrßen, , KlausRidder, Horst Ridder. Die Schnapsflasche ist immer dabei.

2.Oltrogge

Hans-Werner Oltrogge war ein beliebter Hausschlachter – er wurde zum Alkoholiker. Beim Fußball stand er im Tor und war sonntags nicht immer fit.

3-Wiegmann

Schlachtfest bei Wiegmanns. Dicke Schweine waren beliebt. Den Schwanz bekamen die Frauen angehängt.

4-Öhlerking

King unter den Hausschlachtern war Slachta Willem (Wilhelm Öhlerking). Er wurde  immer ungeduldig, wenn die Helfer nicht schnell genug waren.

Druckversion | Sitemap
© Helstorf