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Lernen machte nicht unbedingt Spaß

-Mit plattdütsch in de Schaule-

 

 

In Helstorf hatten wir einen Schulraum und 2 Lehrer.

Bei meiner Einschulung 1948 verlor ich meine „Freiheit“ und musste still sitzen. Das Schlimmste aber, ich musste „hochdeutsch“ sprechen. Nach der Volksschule folgte die Mittelschule in Neustadt – so richtig Spaß habe ich am Lernen nie gehabt.

Aber irgendwann kam der Durchbruch und heute bin ich „Ingenör“.

 

Viele Schläge gab’s von „Knaster“

Schulleiter war Fritz Knüppling (wir nannten ihn „Knaster“). Er unterrichtete die Oberstufe, das waren die Klassen 5 bis 8. Für die Kleinen war Ilse Jürgens zuständig, eine Kriegswitwe mit Sohn Georg aus Hannover. Im Gegensatz zu Knüppling, der, wenn er wütend wurde – und das geschah fast täglich – dann den berüchtigten Rohrstock bei fast immer denselben Schülern  ‚tanzen ließ‘, war Ilse Jürgens eine ganz Liebe. Sie wohnte übrigens im Haus von Martha Rust (Egger’s Rust).

 

Unterrichtet wurde im Schichtbetrieb, Oberstufe mit Fritz Knüppling und Unterstufe mit Ilse Jürgens. Religionsunterricht hatten wir zusammen und hier habe ich noch in Erinnerung, als Schorse Koch aus Luttmersen einmal förmlich zusammen geschlagen wurde und ihm nur noch die Wahl blieb, sich unter einer Schulbank zu verkriechen. Dort erreichten ihn aber noch die Fußtritte von „Knaster“.

 

Ein anderer regelmäßiger Empfänger von Knüpplings „Strafmaßnahmen“ war Werner Gleue (Flocki). Werner konterte und beim Sportunterricht, wenn Knaster in seinem grauen Mantel und Hut steif am Spielfeldrand stand, machte Werner immer seine Faxen im Rücken von Knaster. Einmal traf Werner beim Völkerballspiel auf den Platz „Unter den Eichen“, dort wo heute die Raiffeisengenossenschaft ihr Lager hat, mit dem schweren Völkerball Knaster ‚zufällig‘ an den Beinen. Knaster, der wohl geträumt hatte, dem wurden die Beine förmlich weggerissen und er lag am Boden. Es gab für Werner eine ordentliche Prügelattacke mit Ohrfeigen. 

Von Knaster gab es schon mal die Aussage „Du hast heute ja noch keine Prügel bekommen, das wird aber Zeit.“.

 

Ilse Jürgens – die Liebe

Ilse Jürgens war jung und hatte mehr Einfühlungsvermögen für uns Kleinen, zumal ihr Sohn Georg ja auch noch klein war.

 

Sie machte mit uns auch noch besondere Ausflüge, so an den Rhein und nach Cuxhaven an der Elbmündung.

 

Diese besonderen Ausflüge organisierte sie privat, denn viele Schüler/Schülerinnen waren arm und die Eltern konnten sich die Fahrt nicht leisten. Ich gehörte, wie auch die Öhlerking Schwestern Inga und Bärbel, Heinz Müller, Rosi Wienhöfer und Gudrun Pankow zu den Privilegierten.

 

Mit der Bahn ging es bis Köln und hier wurde der Kölner Dom, der noch zerstört inmitten von Trümmergrundstücken stand, besichtigt. Ich ging mit meiner Ski-Mütze auf dem Kopf in den Dom und wurde vom rotgekleideten „Domschweizer“ ermahnt, die Mütze abzusetzen. Woher sollte ich auch wissen, dass man in einer Kirche die Mütze absetzen muss? Das Bauwerk war gewaltig, aber innen war die gotische Kathedrale noch mit vielen Gerüsten versehen und auch noch bis zur Hälfte gesperrt.

 

Übernachtet haben wir in einer richtigen Burg, der Jugendburg Stahleck oberhalb von Bacharach. Wir mussten beschwerlich aufsteigen und hatten dann einen tollen Blick auf den Rhein mit dampfenden Radschleppern, die mehrere Kähne hinter sich herzogen. So hoch war ich noch nie auf einem Berg gewesen. Die Betten mussten wir uns selbst herrichten, dazu hatten wir einen Jugendherbergsschlafsack, in den wir hineinkrochen und uns dann mit Decken zudeckten. Besonders mussten wir darauf achten, dass, wo auf der Decke „Fußende“ stand, auch unsere Füße waren – sonst hätte es ja nach „Käse“ gestunken. Morgens mussten die Decken und das Bett wieder akkurat gemacht werden, sie wurden vom Herbergsvater ‚abgenommen‘ und erst dann durften wir abreisen..

 

Schön war der Abend in der Jugendburg. Wir saßen alle in einem Gewölbe und ein junger Mann spielte Gitarre und es wurden Lieder gesungen. Einfach toll für uns Helstorfer, denn wir waren ja noch nicht „in der Welt“ herumgekommen.

 

Toll der Aufstieg zur Loreley und der Blick von oben auf die seit Jahrhunderten gefährlichste Rheinpassage.

 

Schön die Fahrt mit einem Raddampfer von Bacharach nach Rüdesheim, überall Burgen auf den Bergen, in denen einst Raubritter wohnten, um den Kaufleuten, die unten auf dem Rhein mit den Schiffen vorbeizogen, Geld und Ware abzunehmen.

 

Einfach super, was Ilse Jürgens für  uns Helstorfer Kindern geplant hatte.

 

Bis heute bleibt das Rheinerlebnis bei  mir in guter Erinnerung. Nie hätte ich daran gedacht, dass ich viele Jahre später als ehemaliger Helstorfer Junge für die Tankschifffahrt mit gefährlichen Gütern auf dem Rhein zuständig sein sollte.

 

6 Jahre Mittelschule

Wer gut lernte und wo die Eltern Geld hatten und der eine mehrere Tage dauernde Aufnahmeprüfung bestand, der konnte die Mittelschule in Neustadt besuchen. Viele Eltern hatten nicht das Geld, denn eine Fahrkarte mit dem Dela-Express kostete im Monat immerhin 14 DM. Hinzu kamen besondere Bücher und auch höhere Anforderungen an die Kleidung. So scheiterte der Besuch der Mittelschule bei meinem Freund Dieter Heise daran, dass seine Mutter als Kriegswitwe nur wenig Rente bekam. Auch schickten manche Eltern ihre Mädchen nicht zu höheren Schule, denn Mädchen, so oft die damalige Einstellung, brauchten ja nur Haushalt zu lernen, weil sie ja doch später heirateten und Kinder bekommen sollten. Dafür benötigte man keine Mittlere Reife.

 

Ein Gymnasium gab es nur in Wunstorf oder Nienburg, das war für uns Helstorfer zu weit weg. Ein Helstorfer (mit ehrgeizigen Eltern) besuchte ein Internat, schaffte aber das Abitur nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, solange ich bis 1965 in Helstorf wohnte, dass ein Helstorfer/eine Helstorferin das Abitur schaffte. Heute ist das natürlich anders.

 

1952 bestanden alle 3 Helstorfer die Aufnahmeprüfung: Heinz Müller, Bärbel Öhlerking und ich. 6 Jahre dauerte der oft mühsame Weg bis zur Mittleren Reife.

 

Im Sommer fuhr ich mit dem Fahrrad die 14 km und im Winter mit dem Dela-Bus, der morgens um 7.00 Uhr dort abfuhr, wo heute der Helstorfer Findling mit dem Wappen liegt. Es gab immer Gedränge, weil jeder den besten Platz haben wollte. Einmal bekam ich meinen Fuß nicht mehr rechtzeitig weg und der Busreifen überrollte ihn. Zum Glück waren die Zehen nicht gebrochen und der Fuß war nur einige Woche blau. Ein Arzt wurde nicht aufgesucht. Übrigens war der Bus immer so voll, dass der Fahrer nachschubsen musste, damit die letzten Schüler auch noch mitkamen. Um 13.30 Uhr fuhr der Bus zurück und um 14.10 Uhr war ich zu Hause. Oma Frieda hatte das Mittagessen für mich im Herd warm gehalten. Manchmal mochte ich es nicht (z.B. Steckrübensuppe), dann ging ich in den Schweinestall und fütterte mit meinem Mittagessen die Schweine. Die freuten sich laut quiekend über die außerplanmäßige Fütterung.

 

Wir hatten einen kleinen Bauernhof, den meine Mutter mit uns Kindern betrieb. Nachmittags war deshalb Feldarbeit angesagt. Die Schulaufgaben mussten abends gemacht werden.

 

Ein guter Schüler war ich nicht, aber ich schaffte die Mittlere Reife ohne Ehrenrunde in 6 Jahren.

 

In guter Erinnerung ist mir noch das letzte Schuljahr. Wir bekamen einen neuen Lehrer, der von Aerzen bei Hameln zu uns versetzt wurde. Er war sehr fortschrittlich und wir bekamen viele Freiheiten, auch machten wir eine außergewöhnliche Klassenfahrt mit Fahrrädern durch Holland. So etwas hatte es an der sonst konservativen Mittelschule noch nicht gegeben!

 

Wir durften außerhalb der Schule sogar rauchen, denn, so der Lehrer Hagemann: Man kann einem jungen Menschen das Rauchen nicht verbieten. Bei der Qualmerei habe ich mir das Rauchen übrigens abgewöhnt.

 

Einige unserer Mädchen himmelten Herrn Hagemann förmlich an und Hagemann hatte auch seinen Spaß mit den frühreifen Mitschülerinnen. Karin S. zeigte ‚ihre Reize‘,einen großen Busen, mit einem großen Ausschnitt und Hagemann zielte während des Unterrichts mit Papierkügelchen auf das freie Busenwunder. Die Klasse und insbesondere Karin S. waren begeistert, insbesondere dann, wenn es einen Treffer gab. Heute ist so etwas kaum denkbar!

 Lehre,Praktikum und Studium

Nach der der Mittelschule folgte eine Lehre als Kfz.-Mechaniker bei Mercedes-Benz in Hannover – ich wollte ja Rennfahrer werden – , übrigens gegen den Willen meines Vaters, der für mich eine Bankerlehre geplant hatte. Danach. Praktikum bei der Hamburger Flugzeugbau(heute Airbus) sowie Studium in Köln.- 1965 war ich ‚Ingenör‘.

 

Resümee

Eigentlich war auch die Schulzeit eine schöne Zeit – aber manchmal hatte ich nicht so richtig Spaß daran. Der Ehrgeiz kam bei mir erst später!

Schule

1 – Schulklasse mit Ilse Jürgens

1948 wurde ich eingeschult. Ilse Jürgens unterrichtete die Klassen 1 bis 4. Man beachte, dass nicht alle Schüler Geld für Schuhe hatten und barfuß in die Schule kamen.

 

2 – Luttmersen

Auch Luttmerser Kinder kamen in die Helstorfer Schule. Es ging durch den Wald und über die Jürsenbrücke, dort wo heute die Straße von Luttmersen nach Helstorf führt (Bild aus dem Jahre 1963).

 

3 – Schulausflüge

Es gab jährlich einen offiziellen Schulausflug, entweder nach Hamburg, Bremerhaven, in den Harz oder ins Weserbergland. Hier ein Bild vom Ausflug ins Weserbergland.

 

4 – Rhein

Ilse Jürgens unternahm mit den Helstorfer Kindern, die es sich leisten konnten, einen Ausflug an den Rhein.

 

4.1 – Marksburg

Einer der Höhepunkte war der Besuch der Marksburg oberhalb von Braubach.

 

4.2 – Rheinschiff

Mit einem Raddampfer ging die Fahrt durchs Mittelrheintal.

 

4.3 – 3 Jungen

Überwiegend Mädchen in der Gruppe, aber dabei waren auch Heinz Müller, Georg Jürgens und Klaus Ridder.

 

4.1 – Loreley

Hoch oben auf der Loreley mit Blick aufs Rheintal. 60 Jahre später fotografierte ich von hier oben den Unfall mit dem Säuretanker TMS „Waldhof“.

 

5 – Mittelschule Neustadt

Von 1952 bis 1958 besuchte ich die Mittelschule in Neustadt.

 

6 – Radtour durch Holland

Mit Lehrer Joachim Hagemann unternahmen wir 1957 eine Radtour durch Holland.

 

7 – Anzug und Kleider

Es war selbstverständlich, dass wir bei unserem Schulausflug nach Hannover Anzug mit Krawatte und die Mädchen Kleider trugen.

 

8 – Lehre

Gegen den Willen von meinem Vater lernte ich in Hannover bei Mercedes Kfz-Mechaniker und bestand die Gesellenprüfung mit Auszeichnung.

 

9 – Ing.-Schule - München

Von 1962 bis 1965 besuchte ich die Nikolaus-August-Otto-Ingenieurschule in Köln. Hier eine Exkursion ins Deutsche Museum nach München.

 

10 – Ing.(grad) und Dipl.-Ing.

1965 Abschlussprüfung an der Ing.-Schule, ich durfte den Titel Ing.(grad) führen, der später in „Dipl.-Ing.“ umgewandelt wurde.

 

11 – Bundesbahn

Nach dem Studium absolvierte ich noch eine 2,5jährige Ausbildung bei der Deutschen Bundesbahn, u.a. machte ich auch die Prüfung zum Lokführer und durfte Lokomotive fahren.

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