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Bauernhohzeiten - das war einmal

Eine Bauernhochzeit auf dem Dorf – das war mal ein besonderes Ereignis. Da wurde ordentlich „aufgefahren“ – koste es was es wollte. Bei großen Bauern kamen auch schon mal um die 300 Gäste und es gab eine Hochzeit in Helstorf, da hatten Braut und Bräutigam getrennt eingeladen und den Überblick über die Anzahl der Gäste offensichtlich verloren – das Essen reichte nicht.

Ich selbst hatte nur eine „kleine Hochzeit“ mit 40 Gästen – aber die war trotzdem schön; mit Ausnahme der Bilder und des Gruppenbildes mit allen Hochzeitsgästen, das hätte sicher auch anders gestaltet werden können.

 
Bildbeschreibung Bauernhochzeiten
Bilder Hochzeit.pdf
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Braut und Brautwerbung

Bis die Automobilität die Dörfer erreichte und man mit dem Auto auf Brautschau gehen konnte, waren es oft die Viehhändler, die Braut und Bräutigam vermittelten. Sie fuhren von Hof zu Hof, um Vieh aufzukaufen und wussten so auch, wo ein heiratsfähiger junger Mann oder eine heiratswillige junge Frau waren. Kam eine Hochzeit zustande, dann gab es als Belohnung eine „Manchester-Hose“. Übrigens, auch Günter Buschmann bekam auf der Hochzeit meines Bruders Horst eine solche Hose, weil er meine Schwägerin Ursula von Marklendorf nach Helstorf vermittelt hatte. Vielleicht zur Orientierung, die Frau von Günter Buschmann namens Annegret kam aus Marklendorf. Sie war im Gasthof Wienhöfer angestellt und lernte Günter Buschmann kennen und lieben.

Verlobung und die Zeit vor der Hochzeit

Es gab, wenn man heiraten wollte, vorher eine Verlobung. Auch die wurde schon ordentlich gefeiert. Sicher wurde in der Verlobungszeit auch schon mal Sex probiert – aber offiziell sollte das erst in der Hochzeitsnacht geschehen.

 

Übrigens war das mit dem Sex für die jungen Männer nicht immer einfach. Aufklärung, wie heute schon den Schulen, gab es nicht und da musste man erst lernen, wie das geht. Jürgen Gödicke schreibt in seinen Büchern, dass der Opa mit seinem Enkel schon mal nach Hannover zum Bahnsteig 6 (= Puff) fuhr und die Damen vom horizontalen Gewerbe dann den jungen Männern zeigten, wie Sex funktioniert.

 

Ich kann mich an eine Sache erinnern, wo meine Mutter in Sachen Zusammenschlafen vor der Ehe pragmatisch vorging. Ich bekam Besuch von einem Studienkollegen Franz mit seiner Verlobten Cläre. Meine Mutter stecke beide in ein Schlafzimmer und ließ sie dort zusammen schlafen. Franz „beichtete“ mir später, dass er so zum ersten Mal mit Cläre in einem Zimmer geschlafen hätte. Übrigens gab es damals noch den Paragrafen der Kuppelei. Wer es duldete, dass unverheiratete Paare zusammen schliefen, machte sich strafbar. Allerdings wurde in meiner Jugendzeit dieser „Straftatbestand“ nicht mehr geahndet und auch bald abgeschafft.

 

Ich selbst war da etwas freier. Während ich in Hamburg mein Praktikum bei der Hamburger Flugzeugbau absolvierte, traf ich mich mit meiner Geschi in Cuxhaven. Geschi gab zu Hause an, dass sie in einer Jugendherberge übernachten würde.

 

Beim Anmelden in einer Pension riet uns die Wirtin, wir sollten doch einfach Herr und Frau Ridder schreiben. Es waren immer schöne Wochenendtreffen an der Nordsee.

 

Und hier möchte ich noch einmal die legendäre Helstorfer Wirtin, Anne Wienhöfer, zitieren, die den jungen Leuten immer sagte: „Spitzbubenvögeln mogt am meisten Spoß“ (= Sex vor der Ehe ist am schönsten).

Aufgebot und KIrche

Die Hochzeitsvorbereitungen dauerten den Winter über und geheiratet wurde meist im Frühjahr oder Sommer, es sei denn, ein „Treiber“ machte ein schnelles Heiraten notwendig, weil das erwartete Baby ja ehelich geboren werden sollte. So heiratete ich am 9. März, da war der Winter noch nicht ganz vorbei.

 

Einige Wochen vor der Hochzeit wurde man im „Kasten aufgehängt“. Der Kasten war am Haus des Bürgermeisters angebracht und wurde mit einem Tannenkranz geschmückt. Durch das Dorf ging dann die Nachricht „De hängt im Kasten“,und das Dorf wusste, wer da heiratet.Der Zweck der Übung war wohl, dass es eventuelle Einsprüche gegen die Eheschließung geben könnte.Offiziell sprach man auch von ‚Aufgebot‘..

 

Es folgte ein Gespräch beim Pastor. Bei uns war es Pastor Weiß, der mich auch schon konfirmiert hatte. Es ging darum, wie man eine Ehe als Christ führen sollte. Es ging da auch um Liebe und Ethik. So nebenbei kam der Satz: „Ja, die fleischliche Liebe habt ihr ja schon praktiziert.“.

 

Ja und dann kam der Tag der Hochzeit. Geschi hatte sich ihr Brautkleid selbst genäht und ich durfte sie in ihrem weißen Kleid kurz vor der Fahrt zur Kirche bewundern und fotografieren. Einfach traumhaft, meine künftige Frau!

 

Vor der Kirche und vor der Schmiede Stünkel standen viele Menschen, um die „Hochzeit des Jahres“ mit anzuschauen. Vor uns „Blumenkinder“, die Blumen streuten und Seilsperren, die erst dann freigegeben wurden, wenn es Geld gab. Und die Männer vor der Schmiede Stünkel bekamen eine Flasche Schnaps. Alles traumhaft, Geschi und ich waren glücklich.

 

Zu Fuß ging die Gruppe zu meinem Elternhaus, wo uns meine Mutter mit einem Glas Wein empfing.

Furchtbare Hochzeitsfotos

Aus Schwarmstedt war ein Fotograf angereist, der fleißig fotografierte. Und wenn ich heute meine Hochzeitsfotos mit denen meiner Kinder und Enkelkinder betrachte, dann kommt keine Freude auf. Wir mussten „stramm“ stehen und vor uns wurden Blumenvasen aufgebaut. Kein Kuss, keine Umarmung – Hauptsache Bilder der frisch Getrauten waren gemacht. Dann das Gruppenfoto, das dauerte schon eine Zeit, bis der Fotograf alle Gäste richtig aufgestellt hatte – und wieder dieselben Blumen davor zur Deko.

 

Übrigens, den Braustrauß hatte meine Mutter in der Gärtnerei Deiters von der Poggenmühle bestellt, sie hatte Nelken ausgesucht. Der Strauß war nicht besonders schön und Nelken mochte meine Geschi überhaupt nicht – sie hasst seit der Hochzeit diese Blumen.

 

Ansonsten war die Feier sehr schön, es wurde gegessen, getrunken und  getanzt. Von Onkel Karl gab es ein Gedicht, an das Geschi und ich uns heute noch gerne erinnern (s. Kasten). Die Hochzeitsnacht haben wir mit unseren Freunden zusammen in der früheren Knechtekammer verbracht, wir waren alle müde und Sex gab es auch nicht mehr.

Große Hochzeiten in Esperke

Unsere Hochzeit war klein, große Hochzeiten mit über 150 Gästen gab es in Esperke bei meinen Cousins. Da wurde ein Zelt aufgebaut, Schweine und Hühner geschlachtet. Nachbarn halfen fleißig mit und eine Köchin, die auf Hochzeitsessen spezialisiert war, wurde bestellt.

 

Das Hochzeitsmenu bestand aus mehreren Gängen und das Essen dauerte Stunden, immer wieder unterbrochen durch Reden, fromme Trinksprüche und vorgelesen wurde aus einer Hochzeitszeitung. Darin gab es allerlei lustige Verse für das Brautpaar und für die Gäste. 

Eingangs immer die berühmte Hochzeitssuppe, die mich heute, wenn ich in Niedersachsen weile, immer noch sehr gut schmecktt. Da ist alles drin: Fleischklöße, Nudeln, Eierstich, Hühnerbrühe, Spargel usw. Danach kommt ein Gang mit Pastete und Hühnerfrikassee, dann folgen Schnitzel mit Spargel und als vierter Gang  Rinder- und Schweinebraten mit einer Gemüseplatte. Zum Schluss kommt ‚Welfenpudding‘ auf den Tisch..

 

Man tut gut daran, anfangs nicht zu viel von der leckeren Hochzeitssuppe zu essen, sonst passt der spätere Rinder- und Schweinebraten nicht mehr in den Bauch rein.

 

Doch es kann auch mal anders laufen. In Ahlem, wo meine Cousine Helga heiratete, hatte ich mich in der Anzahl der Gänge vertan. Nach dem „Schnitzelgang“ gab es nichts mehr und ich stand hungrig vom Hochzeitsessen auf. Pech gehabt.

Resümee

Eine Bauernhochzeit, das ist eine schöne Sache. Doch heute gibt es kaum noch Bauern und somit auch keine Bauernhochzeiten mehr. Schade!

 

(C) Klaus Ridder

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