Heidebrot aus Helstorf

Rehbocks Brot heute noch beliebt

Die Bäckerei Karl Rehbock hatte eine große Backstube mit einem „Tante Emma Laden“ und ihren Sitz inmitten des alten Dorfes, nicht weit weg von meinem Elternhaus.

 

Mit der Bäckerei Rehbock verbinden mich noch heute besondere Erinnerungen und wenn ich mal wieder in Helstorf bin, dann nehme ich mir ein „Heidebrot“ mit ins Rheinland. Und auf meinem 80. Geburtstag, den ich bei Tochter Mara in Berlin feierte, gab es Butterkuchen und als besonderes Geschenk „Heidebrot“ aus Helstorf.

 

Wie war das damals mit der Dorfbäckerei Rehbock?

 

Brot war „heilig“

Brot war wesentlicher Bestandteil der Ernährung in meiner Kindheit. Brot hatte einen besonderen Status, es wurde als wertvoll betrachtet. Schon wir Kinder lernten, behutsam mit Brot umzugehen. Brot wegwerfen oder vergammeln lassen, das gab es schon gar nicht. Und das Pausenbrot für die Schule musste langsam aufgegessen werden! Schließlich war das Brot auch Bestandteil vieler Gebete: „Unser täglich Brot gib uns heute …“.

 

Brot wurde damals meistens aus Roggenmehl gebacken, es gab praktisch nur zwei Sorgen: das Roggenbrot, später aus marktwirtschaftlichen Gründen auch „Heidebrot“ genannt, und das Klarbrot“, das hatte auch schon einen Anteil an Weizen und war magenbekömmlicher. Oma Frieda aß fast nur „Klarbrot“. So viele Brotsorten wie heute, die gab es nicht. Und Brötchen? Die gab es nur sonnabends oder zu besonderen Anlässen. Sie kosteten damals 5 Pfennig.

 

Lohnbäckerei

Es gab wohl in meiner Kindheit 30 Bauernhöfe und es wurde auch Roggen angebaut. Über die Getreideernte hatte ich schon an anderer Stelle berichtet, das war eine mühsame Angelegenheit, bevor die Mähdrescher kamen. Der Roggen wurde, wenn man ihn nicht als Viehfutter verwendet, zur Vesbecker Mühle „Garbe“ gebracht. Von dort ging das Mehl zum Bäcker Rehbock und der buk daraus das mir heute noch schmackhafte Brot unter Verwendung von hausgemachtem Sauerteig. Die Brote wogen 6 Pfund (= 3 kg) und waren lange haltbar. Bezahlt wurde beim Müller der Lohn fürs Mahlen und beim Bäcker der Lohn fürs Backen. Jedes Mal, wenn man ein Brot abholte, erfolgte ein Eintrag in ein Buch und abgerechnet wurde, wenn der Bauer Geld hatte.

 

Familie Rehbock (Bäcker, Reiter und Pferdezüchter)

Eine Bäckerei gab es in Helstorf schon seit 1894.

Bäckermeister Otto Lühring hatte zwei Töchter, die bei Bäckermeister Karl Rehbock in Berenbostel arbeiteten. Karl Rehbock verlobte sich mit einer der Töchter, die allerdings in jungen Jahren verstarb. So heiratete Karl Rehbock die andere Tochter namens Dora und zog nach Helstorf, um die Bäckerei Lühring zu übernehmen.

 

Karl Rehbock betrieb neben der Bäckerei noch Landwirtschaft und eine erfolgreiche Pferdezucht. Sohn Karl-Otto (1922) führte die Bäckerei und Pferdezucht fort, heiratete in den 60iger Jahren seine Verlobte Helga und siedelte 1959 mit der Bäckerei zum Papenberg um. Heutiger Chef ist Carsten Rehbock. 

 

Karl-Otto war übrigens erfolgreicher Reiter und Mitorganisator der Reitturniere auf der Helstorfer Heide.

 

Ich kann mich noch an die Hochzeit erinnern, da kamen Reiter aus der gesamten Region zusammen, um Spalier zu stehen.Karl-Otto und Helga kamen mit der Kutsche zur Kirche.

 

Brot und Kuchen in Lohnarbeit

Sobald ich ein Brot tragen konnte, durfte ich Brot vom Bäcker Rehbock holen. Es wurde mit zwei Händen vor dem Oberkörper getragen. Tante Dörchen, so wurde die Chefin der Bäckerei von uns Kindern genannt, legte es uns praktisch auf die Hände. Der Weg nach Hause, das waren nur 300 m, dauerte oft lange. Mit den Fingern wurde da am Brotende gepult, wo es eine Weichstelle gab. Das Brot wurde förmlich ausgehöhlt, weil die frische Brotmasse besonders gut schmeckte.

 

Einmal holte ich auch Brot und ein Geselle hackte auf dem kleinen Hof vor der Bäckerei Holz. Vielleicht aus Spaß (?) drohte er mit der Axt. Ich bekam Angst und rannte weg, fiel dabei aber samt Brot in einen gegenüberliegenden Stacheldrahtzaun an Egger’s Schweinewiese (dort wo heute die neuen auf alt getrimmten Häuser stehen). Eine Narbe an der linken Backe und ein kaputtes Ohr habe ich heute noch – eine Erinnerung an die Bäckerei Rehbock.

 

An Festtagen wurde Butterkuchen gebacken und die Backstube wurde zur Kommunikationsbörse der Helstorfer Frauen. Jeder brachte seinen Hefeteig samt Zutaten wie Butter und Zucker in die Bäckerei und praktisch mit der Restwärme des Backofens wurden die Kuchen gebacken. Die Gesellen von Rehbock’s Backstube verteilten den Hefeteig auf besonders große Bleche, die Frauen legten Butterstücke auf den Teig bestreuten alles mit Zucker. Butter war damals teuer und wer es sich leisten konnte, der belegte den Kuchen halt mit mehr Butter oder auch mehr Zucker. Zur Unterscheidung, wem welcher Kuchen gehörte, bekamen die fertigen Kuchenbleche eine Nummer aus Teig – und da fing schon mal ein Problem an. 66 und 99, je nach Betrachtungsweise, können leicht verwechselt werden. Und Tanta Martha Büsing bekam nach dem Backen den falschen Kuchen. Das Theater war groß, hatte doch Tante Martha wohl mehr Butterstücke auf den Teig gelegt als die Frau, deren Kuchen sie durch die Verwechslung bekam. Tante Martha beklagte sich auf dem Weg nach Hause bei meiner Mutter „Und denn war min Kauken mit de gauen Bodder nich mehr da.“, diese Worte habe ich heute noch in Erinnerung.

 

Feuerteufel in Helstorf

Eine besondere Begebenheit aus späterer Zeit. Die auf den Papenberg umgesiedelte Bäckerei ward‘ ein „Raub der Flammen“. Brandstiftung. Ein Feuerteufel trieb sein Unwesen, das bekamen wir auch im Rheinland mit.

 

Wir waren zu Besuch in Helstorf bei Schwiegermutter im Lärchenweg 7 (praktisch schräg gegenüber der Bäckerei Rehbock) und, wie wir nachts nach Hause kamen, fuhr ein Auto plötzlich weg. War das der Brandstifter? Wir fuhren hinterher und jagten den vermeintlichen Brandstifter durch die Straßen am Papenberg – bis wir ihn aus den Augen verloren.

 

Bei Schwiegermutter angekommen riefen wir die Polizei an und waren sicher, den Brandstifter gesehen und verfolgt zu haben. Enttäuschung und Entwarnung: „Das ist einer von uns.“, so die Polizei in Neustadt.

 

Aber, offensichtlich war die Polizei damals schon dem richtigen Brandstifter auf der Spur, er wohnte gegenüber der Bäckerei Rehbock und wurde später überführt, nachdem er während eines Beisammenseins mit Feuerwehrkameraden einen Schuppen angesteckt hatte und nach dem Brandlegen zurückkam und nach Benzin roch. Wie so oft bei Feuerwehrangehörigen, ein Pyromane in den eigenen Reihen.

 

Resümee

Brot aus Helstorf – das hat etwas Besonderes. Und so ist es zu begrüßen, dass eine Dorfbäckerei über 125 Jahren immer noch besteht. Ich jedenfalls bin Fan von „Rehbock’s Brot“ – und das wird auch so bleiben.

 

Autor: Klaus Ridder (09.08.2022) 

1 – Karl Rehbock 

Karl Rehbock war Bäckermeister, Landwirt, Pferdezüchter und Reiter. Auf dem Bild vorne rechts.

2 – Dorfbäckerei

Die Bäckerei Rehbock hatte den Betrieb jahrzehntelang in Alt-Helstorf.

 

3 – Belegschaft

Die Belegschaft der Bäckerei Rehbock vor dem Backofen.

 

4 – Tante Dörchen

Dora Rehbock (Tante Dörchen -links) mit einer Mitarbeiterin in ihrem Lebensmittelladen.

 

 

5 – Karl-Otto

Karl-Otto war, wie sein Vater, Bäckermeister und Pferdezüchter, aber auch erfolgreicher Reiter.

 

6 – Rehbock’s Brot

Schmeckt immer wieder gut – Rehbock’s Heide-Brot aus Helstorf – hier als Geschenk zum 80. Geburtstag.

7-Hochzeit

Karl Otto, ein bekannter Reiter, heiratete seine Helga. Mit der Hochzeitskutsche zur Kirche und Spalier der Reiter.

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