Meine Helstorfer Großeltern
-Oma Frieda war eine ganz Liebe-


Ich kam 1948 zur Schule und konnte kaum ein Wort hochdeutsch. Das lag wohl daran, dass mein Opa Heinrich und meine Oma Frieda mit mir nur plattdeutsch sprachen. Meine Mutter hatte auf dem kleinen Bauernhof nicht viel zu sagen, sie war eingeheiratet, und mein Papa war im Krieg und bis 1948 in englischer Kriegsgefangenschaft. So waren Oma und Opa aus Helstorf meine Hauptbezugspersonen.
Schön waren immer wieder die abendlichen Geschichten, ich saß bei Opa auf dem Schoß und hörte aufmerksam zu.

Besonders gern hörte ich immer wieder die Geschichten aus der Soldatenzeit. Keine Angst, es kommen keine Kriegsgeschichten, denn als Soldat war Opa 1914 schon zu alt! Aber, er leistete seinen Wehrdienst in Straßburg ab, denn Straßburg war ja nach 1871 deutsch. Er erzählte mir immer von einer „groten Kerken“, gemeint war damit das Straßburger Münster und vom „groten Rhein“. (Hier muss ich 90 Jahre weiter gehen, denn der Rhein spielte in meinem Berufsleben eine bedeutende Rolle, denn ich war ab etwa 1980 in Straßburg bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) zuständig für die Gefahrgutschifffahrt auf dem Rhein und habe wohl 2 Jahre in Straßburger Hotels geschlafen, wenn ich alle Übernachtungen addiere.. Erinnerungen an meinen Opa kamen immer wieder auf. Übrigens, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde Straßburg wieder französisch.)

Von Straßburg wurde die Einheit meines Opas nach Berlin verlegt und hier wurde Opa Laufbursche bei einem Offizier. Er musste auch mit „Frau Offizier“ zum Einkaufen gehen und den Einkaufskorb tragen, natürlich im gehörigen Abstand hinter der „hohen Dame“ hinterher laufen.

Die Lieblingsgeschichte von Opa war für mich immer die Anekdote mit dem Kaiser in Eivelse. Hier gab es immer was zu lachen, wenn der Kaiser eine braune Nase hatte. Die Geschichte ging so. In Eivelse wurden riesige Funktürme gebaut, mit denen man weil nach Übersee Funksprüche übertragen konnte. Der Kaiser kam höchstpersönlich zur Einweihung und die Eivelser wollten, so erzählte mir das mein Opa, dem hohen Herren etwas Besonderes zu Gute kommen lassen wollte.

Sie positionierten im Klo einen Mann, der nach „Kaisers Geschäft“  ihm den Hintern von unten abputzte. Der Kaiser war neugierig und wollte wissen, was ihm da Gutes angetan worden war. Er steckte den Kopf ins Kloloch, um sich den besonderen Service anzuschauen.„Op einmal her die Kaiser ‚ne brune Näse“. Und wenn Opa das erzählte, dann mussten wir beide ordentlich lachen.

Opa starb 1948 an Hautkrebs. Er wurde zur Behandlung mit einem Auto in den Henriettenstift nach Hannover  gefahren. Das war nicht so einfach, denn man musste für Autofahrten eine Genehmigung durch die Militärregierung haben und Sprit gab es auch nicht. Gegen Naturalien (Wurst, Kartoffeln,..) vom Bauernhof wurde das Unmögliche aber dann doch möglich gemacht. Einmal durfte ich mitfahren und erinnere mich noch daran, dass in Hannover alle Häuser von den Kriegsbomben zerstört waren. In Erinnerung habe ich auch noch, dass es gelbe Postautos gab. Sie wurden, das habe ich später erfahren, mit Elektromotoren angetrieben.

Der Bruder von Opa hieß Onkel Louis. Er wohnte in Hannover und war Postbeamter und fuhr nachts mit Postzügen durch Deutschland, um in den Postwaggons Briefe zu sortieren.

Bomben zerstörten sein Haus und Onkel Louis wohnte einige Zeit bei uns. Er „züchtete“ Stinkekäse mit möglichst viel Schimmel und genoss förmlich seine etwas eigenwillige Speise. Am gemeinsamen Tisch durfte er damit aber wegen des Gestanks nicht erscheinen.

Übrigens, ein Sohn von Onkel Louis war mein Patenonkel. Ich habe ihn nie kennengelernt, weil er schon in den ersten Kriegstagen fiel. Er hieß „Heinz-Willi“ und diesen Vornamen habe ich heute noch in meinem behördlichen Namen. Das gibt immer wieder Probleme beim Ausfüllen eines Visa-Antrages, weil die Einreisebeamten nicht einsehen können, dass zwischen den ersten beiden Doppelvornamen ein Bindestrich kommt, danach aber keiner mehr. Ich heiße also richtig „Heinz-Willi Georg Klaus Ridder“ – ein viel zu langer Name.

Oma Frieda – eine ganz Liebe
Oma Frieda war ein lieber Mensch, immer krank und gebrechlich; gleichwohl wurde sie … Jahre alt und konnte noch im hohen Alter die Zeitung ohne Brille lesen.

Wenn ich aus der Schule kam, dann hatte sie für mich das Mittagessen warmgehalten.

Die Bibel und das Gesangbuch, das war ihre Lieblingslektüre. Selbstverständlich ging sie jeden Sonntag in die Kirche und sang alle Lieder lautstark auswendig mit.

In ihrem Wohnzimmerschrank, ein tolles Stück, das wohl 150 Jahre auf dem Buckel hatte, waren immer Bonbons für mich und eine Flasche Wermut-Wein. „Junge, machst Du noch Einen?“, fragte mich Oma schon mal und ich bekam dann ein kleines Gläschen süßen Wermut Wein. Den mochte ich immer gerne. Alkoholiker bin ich aber nicht geworden.

Weil meine Geschi den Schrank auch gerne mochte, bekamen wir ihn zu Omas Lebzeiten schon vererbt und er steht heute noch in unserer Siegburger Küche.

Oma hat in ihrem Leben zwei große Reisen mit der Bahn unternommen, jeweils zu ihren Schwestern nach Duisburg und Berlin. Die Fahrten mit dem Zug, die bekamen wir immer wieder erzählt: Der Schaffner ging durch den Zug und knipste die Fahrkarte ab. Das war eine Prozedur, die uns Oma immer wieder detailgenau schilderte.

Für Oma war es selbstverständlich, dass, wenn sie mit dem Bus zum Arzt nach Mandelsloh fuhr, sie bei Büsing‘s an der Ecke ein- und ausstieg. Bei den Ärzten war sie Dauergast. Sie lebte über 60 Jahre mit nur einer Niere. Musste immer wieder zur Kur nach Coppenbrügge bei Hameln, um sich zu erholen.

Phänomenal war das Gedächtnis von Oma. Geburtstage ihrer 3 Kinder, Schwiegerkinder, 14 Enkel, Urenkel und vielfach sogar die der angeheirateten Enkel hatte sie im Kopf. Bei uns sogar die Hochzeitsdaten. Jeder bekam von ihr zum Geburtstag ein kleines Geschenk, entweder selbstgestrickte Strümpfe oder etwas aus dem Quelle-Katalog.

Für wohltätige Zwecke hatte Oma Frieda immer etwas übrig, so spendete sie regelmäßig für die Bodenschwing‘schen Anstalten in Bethel oder schickte Pakete an bedürftige Menschen.

Den Umgang mit dem Telefon, den beschreibe ich an anderer Stelle.

Resümee
Oma Frieda war ein feiner Mensch. Selbst ihren Tod plante sie in Würde: „Jetz will ich staben“, äußerte sie nach dem harten Winter 1970 - und 4 Wochen später trugen wir sie im Alter von 91 zu Grabe.

 

Großeltern Helstorf

1 – Opa Helstorf
„Opa Helstorf“ war Landwirt und Sparkassenrendant.Er starb 1948 an Krebs.

2.1-2.2 – Urgroßeltern
Sophie geb. von Bestenbostel aus Bestenbostel und Heinrich Ridder.
Sophie geb. Gathmann aus Rodewald und Fritz Rieckenberg.

3 – Haus Nr. 25
Frieda und Heinrich Ridder (meine Großeltern) mit Sophie Ridder und den Kindern Else, Lina und Heinrich (mein Vater) vor dem Haus Nr. 25 (etwa 1908).

4 – Heinrich und Louis Ridder
Mein Opa Heinrich Ridder und sein Bruder „Onkel Louis“.

5 – Familie Frieda und Heinrich Ridder
Familienfoto mit Oma Frieda und Opa Heinrich sowie den Kindern Else und Heinrich (mein Vater).

6 – Frieda und Heinrich Ridder
Oma Frieda war eine zierliche Person und immer kränklich. Hier mit ihrem Mann Heinrich und den Kindern Else und Lina.

7 – Kaiser
Die Geschichte vom Kaiser in Eivelse mit der ‚braunen Nase‘ hörte ich immer wieder gerne.

8-Oma Frieda
Oma Frieda war mein Kindermädchen und eine ganze Liebe. Sie starb 1970 im Alter von 91 Jahren

 

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